Verletzt die Reportage zum Anzeigenhauptmeister journalistische Standards?
Die Reportage haben wir vermutlich mittlerweile alle gesehen. Und wir können uns vermutlich auch alle denken, dass der Anzeigenhauptmeister eine Menge Hass und Drohungen erhalten dürfte. Für mich ist offen, ob er eventuell Autist o.ä. ist—Spiegel sagt nichts dazu und für eine Ferndiagnose fühle ich mich nicht qualifiziert.
Aber es scheint mir journalistisch in jedem Fall ein bisschen verwegen, einen 18-Jährigen mit vollem Namen und Wohnort zu zeigen, der etwas tut, was legal (und in vielen Fällen nützlich), aber definitiv kontrovers ist und wo die Publikumsreaktionen so erwartbar sind. Was denkt ihr?
(Bevor jemand fragt: Dass die Reportage an sich legal ist, weiß ich. Es geht um weichere Regeln wie den Pressekodex oder Spiegel-eigene Richtlinien.)
Über Qualität kann man streiten, besonders bei Spiegel-TV. Der Spiegel als Gesamtes ist aber eine journalistische Organisation. Daher würde ich erwarten, dass alles, was originär dort produziert wird, sich an der Definition von Journalismus messen muss.
Ich stimme da schon zu. Ich finde absolut nicht, dass der Spiegel Trash-TV Inhalte produzieren sollte.
Ich habe nur darüber nachgedacht, wie ich das aus journalistischer Sicht bewerten würde und bin zu dem Schluss gekommen, dass es das Thema Journalismus komplett verfehlt, weil, wie es auf Wikipedia formuliert ist:
[Journalismus hat das Ziel] die Öffentlichkeit mit gesellschaftlich relevanten Informationen zu versorgen.
Dass durch den Kollegen irgendwo ein paar Knöllchen mehr verordnet werden, ist gesellschaftlich ziemlich irrelevant. Und wenn es relevant wäre, hätte man es in zwei Sätzen in einem Newsticker erwähnen können.
Man hätte durchaus auch einen journalistischen Beitrag daraus stricken können, zu Verkehrsrecht, Ethik oder auch zu Autismus, wenn er das hat. Aber auch da hätte ein kurzes Interview mit ihm oder vielleicht eine Szene, wo er es sehr genau nimmt, gereicht.
Niemand braucht ein 17-minütiges Video wie er Knöllchen verteilt. Es sei denn, man will sich über ihn beömmeln, aufregen oder das Drama aufsaugen. Und das ist dann eben Trash-TV.
Relevant erscheinen mir Punkt 8. Persönlichkeitsrechte und 9. Schutz der Ehre.
Punkt 8 ist (für mich) nicht unbedingt eindeutig darin ob das Folgen der informationelle Selbstbestimmung ausreicht, oder man darüber hinaus anonymisieren sollte im Sinne der Privatperson - selbst wenn diese kein Problem sieht/äußert.
Ich meine das ist halt Klatschpresse. Ist mies wie er es sicher nicht wusste, wie er ausgenommen wird. Aber was er macht ist im uga uga Autoland Deutschland sau gefährlich.
Ich finde es auch etwas schwierig. Klar, interessante Doku. Klar, der macht da freiwillig mit. Aber ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass er wirklich verstanden hat, was diese massenhafte Aufmerksamkeit durch so eine Spiegel TV-Doku anrichtet. Jetzt ist z.B. sein Name auf immer und unlöschbar mit diesem Charakter verknüpft. Will er irgendwann mal doch aufhören, kann er das nicht mehr. Vor der Doku hätte er einfach umziehen können und gut wäre.
Und ja, auch die Doku hätte ihn und sein Anliegen sicherlich anders darstellen können. Da kommt er schon sehr als Clown rüber, aber mit einem anderen Schnitt, anderen Beispielen, die sicherlich auch gefilmt wurden, wäre er anders, besser rübergekommen. Das sind bewusste redaktionelle Entscheidungen - aber was soll man halt auch von einer Redaktion erwarten, die betrunkene Obdachlose in Supermärkten zur allgemeinen Belustigung filmt und sich dafür noch feiert
Der hat was unterschrieben, damit ist der rechtliche Aspekt klar.
Aber zum Beispiel anhand der Interaktion mit dem Anwalt oder der Verwendung eines POLIZFI-Schildes sieht man (finde ich), dass seine Risikoeinschätzung anders als bei den meisten funktioniert. Insofern hätte ich gedacht, es gäbe eventuell eine Regel, um ihn vor sich selbst zu schützen.
Persönlichkeitsrechte
Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen;
das ist aber alles unheimlich schwammig formuliert... aber ich denke es ist schon eine interessante frage die du da stellst. frag doch mal direkt beim spiegel nach? die haben da bestimmt eine abteilung die sich über solche mails freut.
es ist aber natürlich auch eine harte sache die zurechnungsfähigkeit des jungen mannes in frage zu stellen. allerdings ist es ja auch ein bisschen komisch, es nur am alter fest zu machen: ein tag vor dem 18. geburtstag wäre es verboten, und danach erlaubt, obwohl die person an dem einen tag nicht plötzlich erwachsen wurde. also denke ich schon auch, dass es da nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern einen großen grau bereich.
ob das legal oder illegal ist, steht denke ich außer frage, ich denke nicht, dass so ein beitrag ohne das ok der rechtsabteilung gesendet wird. aber es geht dir ja eher um die moralischen aspekte.
da mal nachzufragen, ob es nötig war den vollen namen zu nennen halte ich für legitim. warum sollte man überhaupt den vollen namen nennen? ist das für die allgemein interessant? warum sollten wir wissen wo er wohnt? inwiefern ist das für den beitrag relevant?