Der Elektro-Flugzeugpionier Lilium hat einen Insolvenzantrag angekündigt. Dem Unternehmen ist das Geld ausgegangen für den Geschäftsbetrieb - auch weil sein Wunsch nach Staatshilfe nicht erfüllt wird.
Ich denke mal das einzig Überraschende ist wie schnell es dazu gekommen ist.
Vielleicht ist den potentiellen Investoren aufgegangen, dass 3 Minuten Akkukapazität etwas knapp bemessen sind, um damit eine nennenswerte Strecke zurückzulegen und, dass es schon ein veritables Wunder bräuchte, um das zu ändern.
Ich glaube nicht, dass das Ding so überhaupt zulassungsfähig wäre. Eine so geringe Kapazität lässt praktisch keine Reserven für Durchstarten und einen wiederholten Landeanflug (ggf. zu einem alternativen Landeplatz), für den Fall, dass eine Landung nicht klappen sollte.
Da das Ding nicht mal annähernd genug Akkukapazität hat, um seinen vorgesehenen Zweck zu erfüllen, brauchen wir über eventuell verbliebene Reserven nicht zu sprechen.
Danke für den Link von vor ein Paar Wochen mit den Ergebnissen des Backward Engineerings des Luftfahrtingenieurs.
Nach Ermittlung und wohlwollender Schätzung aller benötigten Eingangswerte errechnet er die maximal mögliche Schwebeflugdauer von 67,7 Sekunden – ohne Transition in den Reiseflug und damit ohne Erzielung nennenswerter Reichweite. "Infolge dieses ersten Ergebnisses habe ich dann 60 Schwebeflugsekunden für Start und Landung reserviert und die übrigen 7,7 Schwebeflugsekunden in eine Reiseflugphasenzeit von 3:42 Minuten umgerechnet, da der Leistungsbedarf im
Reiseflug nur einem Bruchteil des Leistungsbedarfs im Schwebeflug entspricht. Während dieser Reiseflugzeit erzielt man dann mit 300 km/h eine Reichweite von gut 18 Kilometer. Dann ist der Akku leer."
[...]
Im Zuge der Variation bestimmter Parameter – Erhöhung von Akkumassen- und Passagiermassenverhältnis, Erhöhung der Gleitzahl auf 15, Erhöhung der Wirkungsgrade im Schwebe- und im Reiseflug auf ihr theoretisches Maximum – errechnet er eine mit diesem Konzept maximal mögliche Reichweite von 145 Kilometern und eine Flugzeit von 29 Minuten. "Diese Werte gelten dann immer noch nur für eine beängstigend kurze Schwebeflugdauer von einer Minute und bedeuten schon jede Menge Optimierungsarbeit für Lilium", gibt er zu bedenken. Weiterhin verweist er darauf, dass sich die Reichweite um satte 50 Kilometer reduzieren würde, sollte die Zulassungsbehörde aus Sicherheitsgründen auch nur eine Minute mehr Schwebezeit fordern.
Da das Ding nicht mal annähernd genug Akkukapazität hat, um seinen vorgesehenen Zweck zu erfüllen, brauchen wir über eventuell verbliebene Reserven nicht zu sprechen.
Sicher landen können ist die wichtigste Voraussetzung, um überhaupt mit einem Fluggerät Personen zu transportieren. Das ist der vorgesehene Zweck. Und eine maximale Schwebeflugdauer von knapp über einer Minute ermöglicht das bestenfalls, wenn man nach dem Abheben sofort wieder am Startplatz landet, denn sollte da irgendwas dazwischenkommen, hat man ein kleines Problem.
Die nicht vorhandenen Flugzeitreserven, die eine sichere Landung unmöglich machen, sind der Grund, warum das Teil seinen Zweck nicht erfüllen kann.
Klar. So ein Fluggerät, das Personen transportieren soll, ist keine militärische Einwegdrohne, die nur den Transport einer Fracht von A nach B vollbringen soll und dann wie ein Stein vom Himmel fallen darf, sondern sie muss auch sicher landen.
Wenn Du sagst, dass dabei erstmal erfüllt sein soll, dass das Ding hoch und sicher, d.h. mit ausreichenden Reserven, wieder runter kommt bevor sich die Frage stellt, ob nicht zwischen Start und Landung evtl. auch die Distanz x zurückgelegt werden kann, halte ich das für eine Herangehensweise bei der Auslegung, die mit ein besseres Bauchgefühl gibt als andersherum.
Mal ganz unabhängig davon, ob man im konkreten Fall groß hinterherweinen muss: der Ansatz funktioniert nur in einem tatsächlich freien globalen Markt.
Stattdessen leben wir in zunehmend protektionistischen Zeiten, wo Staaten durch massive Eingriffe den Markt gestalten. Beispiele sind Chinas Subventionen oder amerikanische Zollschranken. Wenn dann ein hiesiges Unternehmen nach Regeln des freien Marktes bestehen muss, während der chinesische Konkurrent üppig mit staatlichen Geldern versorgt wird, ist klar, wer am Ende übrigbleibt.
Natürlich ist es gerade hier schwierig, Sympathien für so ein "Reichen-Spielzeug" aufzubringen. Aber einerseits fangen so neue Technologien oft erst als Reichen-Spielzeug an (wer braucht schon ein Mobiltelefon oder einen tragbaren Computer?).
Anderseits sollte sich auch hier darüber Gedanken gemacht werden, wie man grundsätzlich Industrie, aber eben auch moderne Technologie im Land halten kann.
Das ist nicht mal ein Reichen-Spielzeug, denn um als Reichen-Spielzeug zu taugen, müsste es überhaupt funktionieren. Und das kan es nicht mal rechnerisch. Das Ding kann nicht fliegen, es kann maximal kurze Luftsprünge im niedrigen einstelligen Minutenbereich vollführen.
Das mag sicher alles grundsätzlich stimmen. Ich möchte aber insbesondere bei klammer Haushaltslage (und einer verdammten Haushaltssperre in Berlin, hier läuft wirklich garnichts mehr) keine Investitionen in doofen Individualverkehr sehen.
Von daher bin ich sehr froh das es nichts geworden ist. Ich kann gleichzeitig aber den Unmut seitens des Unternehmens verstehen, dass zugesagte Gelder nicht gekommen sind und das so knapp.
Ich rede ja, wie geschrieben, nicht unbedingt von diesem Unternehmen/Produkt, sondern um die grundsätzliche Einstellung.
Den (oft hämisch) vielzitierten "freien, Markt, der regelt" gibt es da einfach nicht, sondern wir befinden uns in einem knallhart geführten wirtschaftlichen Verteilungskampf, den wir zwar aus einer sehr komfortablen Situation heraus begonnen, aber seitdem auch nicht besonders überzeugend geführt haben.
Klar zeige auch ich gerne auf idiotische VW-Manager, die das ganze durch ihre Entscheidungen verbockt haben, oder die Politik, die heimische Wind- und Solartechnik und jetzt vielleicht auch Wärmepumpen vergurkt haben. Aber am Ende zahlt das ganze unsere Volkswirtschaft und das sind letztlich du, ich, wir. Dann wird das mit der Häme gegen "die da oben" plötzlich schwieriger.
Jetzt sagst du, du möchtest keine Investitionen in doofen Individualverkehr. Verstehe ich grundsätzlich. Gleichzeitig machst du dabei aber den Denkfehler, den ich oben schon angesprochen hatte: die Technologie kann ja durchaus als "Individualverkehrsmittel für Reiche" beginnen, dann aber trotzdem auch zu einem "öffentlichen Verkehrsmittel für alle" werden. Benz hat auch erst einen Schnösel-Zweisitzer gebaut und erst später einen Omnibus fürs Volk.
Flugtaxis wären auch eine bescheuerte Idee wenn 6 Geringverdiener sich eine Fahrt zusammen leisten könnten. Der Luftraum ist nicht geeignet um eine Masse an Leuten, wie sie in städtischen Räumen vorhanden ist, von A nach B zu bringen. Ganz generell ist Individualverkehr dafür nicht geeignet. Dann lieber Magnetschwebebahn, wobei das halt auch wieder die Neuerfindung des Rads in teuer ist (Schiene lässt grüßen).
Ich habe grundsätzlich nichts dagegen das man als Gesellschaft Geld in Grundlagenforschung steckt, ganz im Gegenteil. Da unser Geld aber verdammt begrenzt ist (Schuldenbremse hilft nicht unbedingt), müssen wir uns ganz genau überlegen was wir Subventionieren. Das dann auch mal was vom Tisch fällt ist völlig logisch.
Das man dann hier hämisch über den freien Markt unkt scheint dich sehr auszulösen (entschuldige meine Verstrahlung an dieser Stelle). Dabei hast du selber erkannt das dieser freie Markt nicht existiert. Das ist jedoch wieder so ein Thema das man ewig breit treten kann und auch wenn Regulierungen uns an einigen Enden zweifelsfrei schaden ist es nicht von der Hand zu weisen das ein "freier" Markt dies auch tun würde. Nur eben an anderen Stellen. In einem "freien" Markt, auch wenn dieser nicht existieren mag, würde ich argumentieren, das diese Schnapspraline ebenso krachend vom Himmel gefallen wäre.
Das man dann hier hämisch über den freien Markt unkt scheint dich sehr auszulösen
Es macht halt keinen Sinn, über etwas herzuziehen, das nicht das Problem ist. Also jenseits von lustigen Meme-Sprüchen fürs Internet. Ich fände aber angesichts der Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, ein bisschen mehr (volks-)wirtschaftliche Seriosität auch im eher linken Mainstream eigentlich ganz angebracht. Das Feld argumentativ nur Christian Lindner und seinen Jüngern zu überlassen, wäre mir zu wenig.
Mir geht es auch überhaupt nicht darum, hier das hohe Lied auf "den freien Markt™" zu singen, ich finde viele Regulierungen sehr sinnvoll und bin kein Fan von wirtschaftlichem Wild West. Stattdessen müssen wir eher mit den Praktiken der anderen gleichziehen und das ist kein freier Markt, sondern harter Protektionismus. Ich habe gar keine Lust darauf, dass wir am Ende die gekniffenen sind, weil wir den Diskurs nicht hart genug führen.